Operationstechnik
SpineShape System IV
System IV ist ein Implantatsystem, das auf der pedikulären Fixation beruht. Die pedikuläre Fixation (von Prof. Raymond Roy-Camille in den 60er Jahren eingeführt) gehört heute zu einem Standardverfahren in der Wirbelsäulenchirurgie.
Nachfolgend werden nur diejenigen Operationsschritte aufgeführt, welche spezifisch für System IV gelten. Als Zugänge gibt es zwei verbreitete Standard-Techniken, nämlich der mediane und die lateralen Zugänge. Der mediane Zugang wird immer dann angewendet, wenn gleichzeitig der Spinal-Kanal geöffnet werden muss, um z.B. einen Bandscheibenvorfall zu behandeln. Die lateralen Zugänge (z.B. nach Wiltse) haben den Vorteil, dass die Pedikel in ihrer lateralen Achse angegangen werden können und die Muskelvernarbung geringer ausfällt.
System IV eignet sich grundsätzlich für die ganze lumbale Wirbelsäule, also von L1 bis S1 (Sakrum). Bei Patienten mit kleinen Wirbelkörpern ist vorab zu prüfen, ob die höher gelegenen Wirbelkörper (zB L2, L1) eine Aufnahme der vorhandenen Pedikelschrauben und Verbindungsstäbe zulassen.
In aller Kürze
Stabauswahl
Auswahlhilfe für die korrekte Stabsteifigkeit
- Benötigt ein Patient einen hohen Stabilisierungsgrad, bei welchem eine anschließende spontane Fusion wünschenswert ist, so ist die low-flex Variante einzusetzen.
- Benötigt ein Patient einen mittleren Stabilisierungsgrad, z.B. nach einem Dekompressionseingriff mit leichter iatrogener Destabilisierung, so ist die mid-flex Variante einzusetzen.
- Benötigt ein Patient nur einen geringen Stabilisierungsgrad, z.B. zum Schutz der Wurzeln, zur Bewegungsbegrenzung der Facettengelenke oder zur Vermeidung eines „bulging“, so ist der high-flex Stab einzusetzen. Dabei übernimmt der elastische Stab eher eine Steuerungs- als eine Tragfunktion.
Hinweis: Die Flexibilität ist ausserdem auch abhängig vom Abstand zwischen den Pedikelschrauben. Je weiter entfernt die Pedikelschrauben, desto mehr Flexibilität wird damit erreicht.
Verfügbare Stäbe
Flexibilität | Standard | Varistab™ |
---|---|---|
high-flex | 21.012.21-200 | – |
mid-flex | 21.012.23-200 | 21.015.23-200 |
low-flex | 21.012.25-200 | 21.015.25-200 |
Als Option steht beim low-flex und mid-flex Stab je eine Variante mit abgesetztem Querschnitt zur Verfügung (genannt Varistab™), mit Hilfe dessen ein Nachbarsegment mit doppelter (axialer) Flexibilität angeschlossen und geschützt werden kann. Im abgesetzten Bereich können dieselben Pedikelschrauben verwendet werden, einzig die Länge der Klemmschraube ändert sich. Für den regulären Stab wird die kurze Klemmschraube benötigt (Art.-Nr. 21.019.11-000-S) und für den abgesetzten Teil des Varistabs™ die lange (Art.-Nr. 21.019.11-100-V).
Indikationen
*) Hypermobilität mit Antelisthesis
**) Behandlung mit SpineShape möglich aber nicht empfohlen
Einsetzen
Einsetzen der Pedikelschrauben
Nach der Bestimmung des Durchmessers und der Länge wird die Schraube auf den Pedikelschraubensetzer mit Haltehülse (20.001.00-02) aufgeschraubt und in den Pedikel geschraubt mit Universalgriff (20.013.00) oder T-Griff (20.013.01). Die Schraube soll nur soweit eingeschraubt werden, dass der Stab anschliessend ungehindert am Facettengelenk vorbeigeführt werden kann. Die Schrauben sollen entsprechend der Richtung des Stabeinlegens (von oben nach unten oder von unten nach oben) auf die Nachbarschraube aus-gerichtet werden.
Vorsicht: Kann kein fester Sitz erreicht werden („handfestes“ Drehmoment), so ist eine längere oder dickere Schraube zu verwenden.
Messen und Zuschneiden des Stabes
Nach einem ersten Ausrichten der Wirbelkörper in die gewünschte Lage muss die Länge des Stabes so bestimmt werden, dass dieser je eine halbe bis ganze Flankenhöhe über die (End-) Schrauben hinaussteht. Hierfür kann der Abstandsmesser (20.004.00) verwendet werden.
Einlegen des Stabes
Der high-flex Stab kann direkt in die offenen Schraubenköpfe eingelegt werden. Der mid-flex und low-flex Stab muss möglicherweise zum optimalen einpassen im sterilen Wasserbad von ca. 60°C vorgängig erwärmt werden, damit er auch in nicht auf einer Achse liegende Schraubenköpfe bequem eingelegt werden kann. Zum einfachen Einlegen stehen je eine rechte und linke abgewinkelte Stabhaltezange zur Verfügung (20.006.00 und 20.006.01).
Aufbringen der Klemmschraube
Option 1
Zuerst muss die Klemmschraube auf den Klemmschraubensetzer (20.007.10) gesetzt werden. Danach muss das Universalinstrument (20.006.10) auf den Kopf der Pedikelschraube aufgesetzt werden, wobei die Breite des beweglichen Zapfen mithilfe des Kipphebels limitiert werden muss, um das Instrument automatisch auf dem Kopf der Pedikelschraube zu zentrieren. Der Klemmschraubensetzer wird danach durch das Universalinstrument gestoßen, um die Klemmschraube passend auf den Kopf der Pedikelschraube zu setzen.
Option 2
Zuerst muss die Klemmschraube auf den Klemmschraubensetzer (20.007.10) gesetzt werden, wie in Option 1. Danach muss der Gegenhaltestrecker (20.005.10) auf den Kopf der Pedikelschraube gesetzt werden, passend ausgerichtet um die Flanken korrekt zu fassen. Der Klemmschraubensetzer wird danach durch den Gegenhaltestrecker gestossen, um die Klemmschraube passend auf den Kopf der Pedikelschraube zu setzen.
Kontrolle der relative Deckplattenlage
Distraktion / Kyphosierung
Die Distraktionszange (20.003.10) kann zur Distraktion zwischen eine festgezogene Klemmschraube und das Gegenhalteinstrument (20.005.10) gelegt werden. Die Distraktionszange weist eine Skala auf mit 2mm Schritten.
Um im Falle von nahe beieinanderliegenden Pedikelschrauben zusätzlich Platz zu schaffen, kann ein Arm der Distraktionszange am Klemmschraubensetzer (20.007.10) angelehnt werden. In diesem Fall müssen die Instrumente unter grösster Vorsicht bedient werden, um weder Instrumente noch Implantate zu beschädigen.
Kontraktion / Lordosierung
Die Konstraktionszange (20.002.10) kann zur Kontraktion zwischen eine festgezogene Klemmschraube und das Gegenhalteinstrument (20.005.10) gelegt werden. Auch die Kontraktionszange weist eine Skala auf mit 2mm Schritten.
Festziehen der Klemmschraube
Die Klemmschraube wird normalerweise mit dem Klemmschraubensetzer (20.007.10) angezogen. Das Anzugsdrehmoment wird nur gebraucht, wenn die Schraube gleichzeitig zum Gegenhalten gegengehalten wird, um zu vermeiden, dass die Schraube mit bereits eingesetztem Stab rotiert. Wenn die Spannschraube nicht beim ersten Anlauf bis zum Anschlag eingeschraubt werden kann, sollte eine kurze Pause gemacht werden, damit das Stabmaterial Zeit zum nachgeben hat. Es bestehen zwei Möglichkeiten um das Anzugsdrehmoment zu neutralisieren, einmal mit dem Universalinstrument und einmal mit dem Gegenhaltestrecker.
Option 1
Unter einfachen Umständen und insbesondere bei Verwendung der high-flex oder erwärmten mid-flex oder erwärmten low-flex Stabvariante, kann die Klemmschraube mit dem Gegenhaltestrecker (20.005.10) gegengehalten werden.
Option 2
Unter schwierigeren Umständen und insbesondere bei Verwendung der mid-flex und low-flex Stabvarianten, welche beide unter leicht erhöhtem Druck im Kopf der Pedikelschraube positioniert werden müssen, kann die Klemmschraube mit dem Universalinstrument (20.006.10) gegengehalten werden.
Sobald die Klemmschraube angezogen wurde, müssen die beweglichen Zapfen bis zum Maximum geöffnet werden, um das Universalinstrument vom Kopf der Pedikelschraube zu entfernen.
Das Universalinstrument hat diverse Funktionen: Es erlaubt durch leichte Rotationen die Pedikelschraube auf den Stabverlauf auszurichten, stösst den Stab an die richtige Stelle im Kopf der Pedikelschraube (vorausgesetzt, dass kein Gewebe oder Knochen im Weg sind), zentriert die Klemmschraube für das Aufsetzen auf die Pedikelschraube, und kann die Pedikelschraube gegenhalten, während dem die Klemmschraube angezogen wird.
Rehabilitation
Vermeiden von unkontrollierten Bewegungen in den ersten sechs Wochen nach der Operation
Während den ersten sechs Wochen nach der Operation sollte der Patient unkontrollierte Rotations- und Beugebewegungen vermeiden, insbesondere unter hoher Belastung der Wirbelsäule, um das Einwachsen der Pedikelschrauben nicht zu behindern. Bewegungen unter erhöhter Belastung sollten erst sechs Monate nach der Operation erfolgen.
Tragen eines Korsetts in den ersten drei Wochen nach der Operation
Während der Wiederaufnahme der Mobilisation während den ersten drei Wochen nach der Operation sollte regelmäßig ein Korsett getragen werden, um unkontrollierte Bewegungen zu verhindern.
Konsultation eines Physiotherapeuten
Eine Einweisung zum korrektem Gehen oder Hinsetzen auf Stühle sollte durch den Physiotherapeuten, der vorgängig über durch den Chirurgen instruiert wurde, demonstriert werden. Ausserdem sollte der Physiotherapeut dem Patienten zeigen, wie er unratsame Bewegungen vermeidet und alltägliche Aufgaben in angemessener Weise verrichtet. Falls durch den Chirurgen als notwendig erachtet, können Atemübungen hilfreich sein. Die Rumpfmuskeln und ihre Propriozeptoren sollten vorzugsweise isometrisch trainiert werden ohne grosse Bewegungsumfänge und Kraftausschläge.
Übungen im Wasser drei Wochen nach der Operation möglich
Nach den ersten drei Wochen können nach vollständiger Wundheilung auch Übungen im Wasser durchgeführt werden, allerdings nur unter Aufsicht des Physiotherapeuten. Während dieser Zeit der eingegrenzten Flexion können seitliche Biege- und Rotationsübungen begonnen werden (max. 30° in jede Richtung).
Im Normalfall keine Gehhilfen notwendig
In Standardfällen sind keine Gehhilfen notwendig, obwohl diese in gewissen Fällen empfohlen werden können (z.B. Paresis, Koordinationsprobleme, Status nach Hüft- oder Knieprothesen). Im Falle dass L5/S1 betroffen sind, sollte eine Flexion der Hüften von über 90° verhindert werden mit Sitzkeilen, toilet seat elevation, erhöhten Stühlen, und angepasster Betthöhe.
Entwöhnung der Schiene drei Wochen nach der Operation
Nach drei Wochen kann der Patient zunächst vorübergehend und dann immer häufiger mit der Entwöhnung der Schiene beginnen. Der schrittweise Einstieg in die alltägliche Aktivitäten kann nun begonnen werden.